Seit Lascombes einen neuen Besitzer hat, weht der wind of change um das Chateau. Mit von der Partie ist der langjährige Ornellaia-Önologe Axel Heinz.
2022 hat ein US-Investor das zweitklassifizierte Chateau Lascombes in Margaux gekauft. 80 Hektar Reben, alter Bordeaux-Adel. Allerdings war es in den letzten Jahren um das Chateau still geworden. Zu blass waren die Weine, um ganz oben in Margaux mitzuspielen. Der Amerikaner ist bereits der dritte Besitzer für Lascombes in diesem Jahrhundert. Er will aus dem braven, preislich zurückgebliebenen Deuxième Grand Cru Classé einen echten Super Second machen. Seitdem weht der wind of change um das Chateau.
Der Amerikaner heisst Gaylon Lawrence Jr.: ein Agrarindustrieller, der rund 100.000 Hektar Farmland in den USA besitzt, der größte Orangenproduzent in Florida ist, sechs regionale Banken in seinem Portefeuille hat, einen Golfplatz, ein Hotel sowie ein halbes Dutzend Weingüter im Napa Valley, darunter Heitz Cellar, Burgess und Stony Hill. Natürlich ist auch Gaylon Lawrence Jr. ein Renditejäger, aber einer von anderem Schlag als seine Vorgänger. Er hat eine Leidenschaft für guten Wein, und er weiß, dass eine Weinimmobilie etwas anderes ist als eine Stadtimmobilie.
Das Erste, was Gaylon Lawrence Jr. tat, nachdem die Verträge unterschrieben waren: Er engagierte Axel Heinz als neuen Direktor. Heinz ist in der Weinwelt kein Unbekannter. Er arbeitete 17 Jahre lang als Önologe des Weinguts Ornellaia, die letzten acht Jahre als Direktor. Heinz hat das toskanische Weingut geprägt und Ornellaia zu einem Wein gemacht, der weltweit hohe Wertschätzung genießt. Außerdem hat er mit dem Masseto einen Merlot von Weltgeltung erschaffen, und zwar in einer Gegend, die nicht unbedingt für diese Rebsorte prädestiniert ist. Schließlich sprach für Heinz, dass er in Bordeaux studiert und gearbeitet hat und Französisch wie seine Muttersprache spricht.

Heinz hat sich im ersten Jahr vor allem um Details gekümmert, die Weinberge studiert und Abläufe optimiert. Er hat die Kernparzellen, von denen der Grand Vin kommt, neu definiert und innerhalb der Parzellen die gestaffelte Lese eingeführt, um in warmen Jahren (wie 2023) Überreife zu vermeiden und in kühlen Jahren (wie 2024) eine ausreichende physiologische Reife sicherzustellen. Er hat die Maischestandzeiten leicht reduziert und die Extraktion etwas vorsichtiger gehandhabt. Vor allem hat er den Cabernet Sauvignon-Anteil deutlich erhöht und den Merlot-Anteil (der in der Vergangenheit häufig 50 Prozent betrug) verringert. „Unser Ziel ist es, einen klassischen Wein zu erzeugen, wie er für Margaux typisch ist: duftig, feingliedrig, elegant und mit stabilem Tanningerüst“, erklärte er bei einem Treffen im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg im September. „Keinen opulenten, auf Schwere getrimmten Wein, wie er eine Zeitlang en vogue war.“
Der erste, von der Lese bis zur Flasche von ihm verantwortete Wein ist der 2023er Jahrgang. Er enthält 55 Prozent Cabernet Sauvignon, nur 40 Prozent Merlot und 5 Prozent Petit Verdot. In Zukunft soll noch ein kleiner Anteil Cabernet franc dazu kommen, die Sorte wird nachgepflanzt. „Die Weinberge, die 1855 bei Klassifikation zur Einstufung von Lascombes als Deuxième Grand Cru Classé gedient haben, befinden sich trotz der zahlreichen Eigentümerwechsel noch heute im Besitz des Chateau“, erzählt Heinz. „Von dort kommen noch immer unsere besten Trauben.“
Der 2023er, der jetzt freigegeben wird, fällt durch seine Homogenität auf: sehr gradlinig, transparent, vielschichtig mit geschliffenem Tannin und präziser Frucht: nach dem Urteil der meisten Kritiker der beste Lascombes seit Langem. Preislich liegt er allerdings weit entfernt (2023: unter 70 Euro) von den großen Super Seconds aus Pauillac und St. Julien. Und auch vom aufstrebenden Nachbarn Rauzan Ségla trennt ihn noch ein ganzes Stück. Der 2022er (bei dem Heinz nur für die Assemblage verantwortlich war) ist jahrgangsbedingt etwas fülliger mit wärmerer Frucht. Er besitzt mehr Substanz, mehr Süße, weniger Spannung.
Dass Lascombes das Potenzial hat, zur Verfolgergruppe von Chateau Margaux und Chateau Palmer, den beiden führenden Erzeugern in Margaux, aufzusteigen, zeigte der 1985er Jahrgang, den wir im Hamburg aus der Jeroboam verkosteten. Der Wein stammt noch aus der Ära des Vor-Vor-Vorbesitzers, der englischen Brauereigruppe Bass Charrington: ein gestriegelt-glatter Wein mit einer betörenden, malzig-pflaumigen Süße, perfekt gereift ohne jede Unfrische. Genial. Dabei markieren die 1970er und 1980er Jahre den Tiefpunkt der Entwicklung dieses Chateau. Bei Robert Parker wurden die Weine nur selten mit mehr als 80/100 Punkten bewertet. Bis heute sind die Parker-Verkoster keine Freunde von Chateau Lascombes.
Die Equipe von Axel Heinz hat im letzten Jahr die gesamten Weinberge des Chateau bodenmäßig untersuchen lassen. Der interessanteste Befund war die Entdeckung von einigen Parzellen nahe der Gironde, die La Côte genannt werden und bei denen auf der fünf Meter tief liegenden Kalksteinplatte eine dünne Schicht blauer Ton entdeckt wurde: ein ideales Terroir für die Sorte Merlot. Die Sorte war dort bereits in den 1980er Jahren gepflanzt worden. Die Parzellen sind zusammen nicht mehr als fünf Hektar groß und gehören nicht zum Ursprungsbesitz von Lascombes. Aber der Wein von dort war und ist immer von auffallend guter Qualität. Heinz beschreibt ihn als ausdrucksvoll fruchtig. Die besten Trauben gingen in der Vergangenheit in den Grand Vin ein, die anderen in den Zweitwein. Heinz entschloss sich, in 2022 den Wein von dort erstmals separat zu füllen. Herausgekommen ist der La Côte-Lascombes, ein reinsortiger Merlot, der in Betonamphoren vergoren und in neuem Holz ausgebaut wird. Er ist weniger streng als die Merlots vom rechten Ufer, von einem feinen Säurefilm durchzogen und charmiert mit üppiger, frischer Frucht. Preislich kostet er fast dreimal so viel wie der Grand Vin. Assoziationen an den Masseto kommen auf. Doch Heinz wiegelt ab: „Mit dem Masseto hat der La Côte keine Ähnlichkeiten. Im atlantischen Klima von Bordeaux entwickelt die Merlot ein ganz anderes Aromenprofil als im mediterranen Klima der Toskana.“
2023 Chateau Lascombes: 68 bis 85 Euro
2022 La Côte-Lascombes: ca. 190 Euro
Bezugsquellen Chateau Lascombes: www.millesima.de, www.gute-weine.de, www.tesdorpf.de, www.alpina-wein.de, www.lacave-conrad.de, www.vinatis.de, www.ungerwein.de, www.schreiblehner.com, www.c-und-de.de, www.moevenpick-wein.de, www.ludwig-von-kapff.de, www.lidl.de, www.gerstl.ch
Bezugsquellen La Côte-Lascombes: www.extraprima-weinversand.de, www.pese-wein.de, www.tesdorpf.de, www.gute-weine.de, www.collectorswineworld.com, www.aux-fins-gourmets.de, www.bacchus-vinothek.de
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Beim Wein kommt es auf Nuancen an. Sie zu erschmecken, macht den Weinkenner aus. Wer seine Sensorik trainiert, entwickelt nicht nur ein tieferes Verständnis für die Qualität eines Weines, sondern hat auch mehr Freude am Genuss. In fünf Schritten lässt sich die eigene Wahrnehmung schulen – vom ersten Blick ins Glas bis zur finalen Bewertung.
Eine Weinprobe zu Hause ist eine gute Möglichkeit, die sensorischen Fähigkeiten zu schulen. Dazu werden beispielsweise drei bis sechs Weine gegenübergestellt. Man vergleicht Weine verschiedener Rebsorten, unterschiedlicher Jahrgänge oder unterschiedlicher Herkunftsregionen miteinander. Das hilft, um Unterschiede deutlicher wahrzunehmen. Auch thematische Proben helfen, den Fokus zu schärfen, etwa „Burgunder-Weine“ oder „Bordeaux-Weine“. Oder „Weißweine aus kühlen Regionen“. Oder „Best of Primitivo“. Entsprechende Weinpakete gibt es bereits fertig zusammengestellt zu den unterschiedlichsten Themen, Regionen, Jahrgängen, etc. Mit einem HAWESKO Gutschein kann ein passendes Paket für die Probe günstig erworben werden.
Jede Weinprobe muss vorbereitet werden. Aber die Vorbereitungen sind einfach. Sie bestehen aus zwei Maßnahmen. Als erstes müssen die Weine temperiert werden. Die richtige Trinktemperatur ist wichtig, damit die Weine sich perfekt präsentieren: Ein zu kalter Wein wirkt verschlossen, ein zu warmer schnell alkoholisch und plump.
Die zweite Maßnahme ist die Wahl des passenden Glases für den jeweiligen Wein. Das Glas beeinflusst die Wahrnehmung von Duft und Geschmack erheblich. Für eine Weinprobe eignen sich Gläser mit bauchiger Form, die sich nach oben leicht verjüngen. Dadurch konzentrieren sich die Aromen, und das Schwenken gelingt mühelos. Wichtig ist, für alle Weine identische Gläser zu verwenden. Transparante, geruchsfreie Kristallgläser ohne Dekor sind dabei oberstes Gebot. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, beginnt das eigentliche Sensorik-Training.
Noch bevor die Nase oder der Gaumen ins Spiel kommen, verrät die Farbe des Weins viel über seine Herkunft, sein Alter und seine Beschaffenheit. Entscheidend ist, das Glas am Stiel oder am Fuß zu halten, damit die Handwärme den Wein nicht verfälscht. Beim Neigen des Glases und Betrachten des Weins vor einem weißen Hintergrund lassen sich schon mal Farbe, Klarheit und Brillanz zuverlässig beurteilen. Ein junges Rieslinggrün, ein Bernsteingelb für gereifte Weine oder ein tiefes Rubinrot: Jede Farbe hat ihre eigene Bedeutung. Zudem geben Schlieren oder „Kirchenfenster“ an der Glaswand Hinweise auf den Alkoholgehalt.
Dann wird das Glas geschwenkt, so dass der Wein zu kreisen beginnt. Ein kleiner Schwung genügt, um die Aromen des Weins zum Leben zu erwecken. Durch das vorsichtige Schwenken kommt der Wein mit mehr Sauerstoff in Berührung. Duftstoffe werden freigesetzt und steigen im Glas auf. Duftnuancen sind leichter wahrzunehmen. Durch das Schwenken öffnet sich der Wein und zeigt, was in ihm steckt, von feinen Fruchtnoten bis zu komplexen Holz- oder Würzaromen.
Der Geruchssinn ist das wichtigste Instrument, um einen Wein zu erfassen. Dafür wird das Glas nah an die Nase gehalten und der Duft eingeatmet. Jetzt lassen sich einzelne Aromen bewusst herausfiltern: Zitrusfrüchte, Beeren, exotische Früchte, aber auch Holznoten, Vanille oder erdige Töne. Entscheidend ist nicht nur das Erkennen, sondern auch die Einschätzung von Intensität und Komplexität. Manche Weine wirken zurückhaltend, andere entfalten sofort ein ganzes Spektrum. Mit jeder Probe kann so die Fähigkeit geschult werden, Unterschiede zu erkennen.
Nun ist der Moment gekommen, den Wein zu verkosten. Ein kleiner Schluck wird im Mund zirkuliert, sodass alle Geschmackszonen erreicht werden. Dabei richtet sich der Fokus auf die Balance der Grundelemente: Süße, Säure, Tannin und Alkohol. Ein harmonischer Wein wirkt rund, ausgewogen und zeigt Struktur. Auch die Textur spielt eine Rolle. Ist der Wein weich, seidig oder eher kantig? Mit diesem Schritt wird die Wahrnehmung für die innere Qualität des Weins geschult.
Die finale Beurteilung geht über die vier einzelnen Aspekte hinaus. Wie fügt sich der Wein zusammen? Ist er typisch für die Rebsorte, für seine Herkunft, für sein Alter? Entscheidend ist auch der Abgang, also der Eindruck, den der Wein nach dem Schlucken hinterlässt. So wächst mit jedem Glas Wein nicht nur Erfahrung. Es entwickelt sich auch ein persönlicher Maßstab für Qualität. Sensorik ist nämlich keine angeborene Fähigkeit, sie lässt sich trainieren. Wer bewusst sieht, schwenkt, riecht, schmeckt und bewertet, gewinnt Schritt für Schritt mehr Sicherheit im Umgang mit Wein. So verwandelt sich reiner Genuss in echtes Kennertum.
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Die Trüffelsaison beginnt und mit ihr die Hohe Zeit des Barolo und Barbaresco. Diesmal haben wir die Weine von Pio Cesare unter die Lupe genommen.
Gegründet 1881, ist Pio Cesare eine der alten Barolo-Kellereien, die es geschafft haben, den Anschluss an die Jetzt-Zeit herzustellen. Ihre Weine sind nicht trendy, aber sie haben sich auch nicht mühsam und unter Verbiegen aller hehren Grundsätze in die Gegenwart gerettet (wie so manch anderer altehrwürdiger Barolo-Erzeuger). Im Unterschied zu einigen Old School-Barolos, die von Krikitern teilweise exaltierte Bewertungen erhalten und entsprechend zu märchenhaften Preisen gehandelt werden, hat Pio Cesare sich ohne Hype in die Spitzengruppe der Barolo-/Barbaresco-Produzenten vorgearbeitet. Seine Weine sind geschliffen, ausbalanciert, präzise, nie überextrahiert, teilweise packend. Und sie besitzen auch nach jahrelanger Fassreife noch ein hohes Maß an Frische.
Pio Cesare besitzt 80 Hektar Reben um die Stadt Alba. Produziert werden 20 Weine, vom schäumenden Moscato d’Asti über Barbera bis zum Premium-Chardonnay „Piodilei“. An der Spitze der Betriebshierarchie aber stehen Barbaresco und Barolo. Sie sind das Aushängeschild dieses Weinguts. Rund 60 000 Flaschen werden von beiden Weinen produziert. „Nebbiolo ist die wichtigste Sorte, die wir anbauen“, sagte Federica Boffa, die junge Inhaberin des Weinguts bei einer Stippvisite in München. Sie repräsentiert die fünfte Generation und nennt Pio Cesare ein „historisches Weingut“, das sich unterscheidet von den zahllosen Neugründungen in den letzten 30 Jahren. Nicht dass diese nicht erfolgreich wären und ebenfalls hervorragende Weine erzeugen. Aber das traditionelle Element ist bei historischen Weingütern naturgemäß stärker ausgeprägt. Bei Pio Cesare ist es sogar greifbar. Es liegt im Keller in Gestalt von Hunderten von Flaschen alter Jahrgänge.

„Barolo und Barbaresco sind körperreiche, komplexe Weine mit kräftiger Tanninstruktur, die sehr langlebig sind,“ beschreibt Federica das historische Erbe. Aber sie fügt hinzu, dass das nur die halbe Wahrheit ist: „Man muss heute nicht jahrelang auf die Trinkreife warten. Barolo und Barbaresco können, wenn sie gut sind, auch schon früh mit Genuss getrunken werden.“ Ihr Vater hatte frühzeitig erkannt, dass sich die Zeiten geändert haben und die Messlatte inzwischen höher liegt als früher. So sind Barolo und Barbaresco heute weltweit verbreitet (Pio Cesare ist beispielsweise in 50 Ländern der Welt präsent). Das heisst: Sie müssen sich gegen andere bedeutende Rotweine behaupten. Das war nur möglich, indem die Erträge deutlich heruntergefahren wurden. Dazu das Klima: Es ist wärmer und unvorhersehbarer geworden. Die Vinifizierung und der Ausbau der Weine vollziehen sich heute planvoller. Die Herausforderung für die Weingüter besteht darin, die Möglichkeiten der modernen Önologie zu nutzen, ohne den Charakter der Weine zu verändern.
Pio Cesare hat diese Herausforderungen angenommen. Die Nebbiolo-Trauben werden heute zwar einen Monat früher als vor 30 Jahren gelesen, aber mit höherer physiologischer Reife. Die Vinifizierung ist schonender, die Maischegärung kürzer. Für den Ausbau werden im ersten Jahr Barriques bzw. Tonneaux verwendet, im zweiten und dritten Jahr große Holzfässer. Das Ziel: das Tannin besser mit dem Wein zu verschmelzen. Hört sich einfach an, gelingt aber nicht jedem Weingut.
Die zweite Besonderheit ist der Keller. Pio Cesare ist das einzige Weingut der Gegend, dessen Keller sich im historischen Zentrum von Alba befindet: unterirdische Gewölbe mit alten Lehm- und Backsteinwänden, in denen der Wein bei gleichbleibender Temperatur reifen kann. Die dritte Besonderheit ist Federica selbst. Sie ist erst vier Jahre im Amt. 2021 starb Ihr Vater Pio Boffa unerwartet am Corona-Virus. Sie war da erst 23 und musste von einem Tag auf den anderen das Weingut übernehmen. Das Interesse an Wein war bei ihr schon da. Aber sie musste, um die Weine in der Öffentlichkeit repräsentieren zu können, all die Details, Besonderheiten, historischen Fakten erst lernen. Als der amerikanische Weinkritiker James Suckling während eines Interviews meinte, der neue Jahrgang ihres Barolo erinnere ihn an den 1998er, da musste sie passen. Sie hatte (und hat bis heute) die ganzen alten Jahrgänge im Keller noch gar nicht probiert. Auch ihr Neffe Cesare, mit dem zusammen sie das Weingut leitet, ist zu jung, um die flüssige Historie im Keller bereits durchgearbeitet zu haben.

Die vierte Besonderheit: die verschiedenen Versionen von Barolo und Barbaresco, die produziert werden. Die Spitze der Qualitätspyramide bilden die Lagenweine. Vom Barolo gibt es zwei („Ornato“, „Mosconi“), vom Barbaresco einen („Il Bricco“). Sie werden nur in geringen Stückzahlen erzeugt. Unterhalb der Lagenweine gibt es den Barolo Pio und den Barbaresco Pio, die jeweils von mehreren Lagen stammen, beide in größeren Stückzahlen gefüllt werden und nur halb so viel kosten wie die Lagenweine. Sie werden nach traditioneller Art cuvetiert, also so, dass die Eigenschaften der einzelnen Lagen (besser: der verschiedenen Gemeinden, in denen sich die Lagen befinden) sich ergänzen und am Ende einen balancierten, für den Stil des Hauses typischen und für das Anbaugebiet repräsentativen Wein ergeben – ähnlich einem Markenchampagner.
Dieser traditionelle Stil ist heute obsolet geworden, weil die Weingüter lieber den Charakter der einzelnen Lagen zeigen wollen. Aber auch, weil die kleinen Erzeuger selten Weinberge in mehreren der 11 Gemeinden des Barolo-Gebiets (und in den 4 Gemeinden des Barbaresco-Gebiets) besitzen. Sie sind vielleicht zwei oder drei Lagen begütert und vinfizieren deren Trauben separat, um so den Terroir-Charakter herauszuarbeiten. Solche Lagenweine gelten als der Goldstandard im Piemont. Nur wenige große Weingüter bieten noch Lagenverschnitte an, meistens große. Und von denen, die sie anbieten, produzieren nur wenige gute oder sehr gute Qualitäten (um ein paar Beispiele zu nennen: Bartolo Mascarello, Prunotto, Fontanafredda, Gaja).
Soviel vorweg. Francesca Boffa brachte fünf Weine mit nach München, die derzeit im Handel sind. 2021 sei ein „klassischer“ Jahrgang, erklärte sie. Sie meinte damit die relativ kühlen Temperaturen in der Reifephase der Trauben. Tatsächlich gilt 2021 heute als ein großer Jahrgang im Piemont, weil die Weine ihre Frische bewahrt haben und mit kühler Frucht beeindrucken.
Dieser Wein ist eine Cuvée von 9 Lagen aus fünf Gemeinden der Barolo-Zone. Auf ihn trifft am meisten zu, was oben gesagt wurde: Er ist rund und relativ weich, besitzt kühle Frucht und die unnachahmliche Nebbiolo-Würze mit ihren herb-süßen Aromen, die an Waldboden, Rosen und Süßlakritz erinnern, aber auch ein bisschen an den intensiven Duft weißer Trüffel. Sicher, er besitzt nicht die Dichte der Lagenweine und auch nicht deren Struktur (obgleich ein großer Teil der Trauben aus Serralunga und Monforte stammt), besitzt dafür aber die Blumigkeit und Eleganz, wie sie man sie von den Weinen aus La Morra und Novello kennt. Dadurch zeigt er sich jetzt schon sehr offen und antrinkbar und bietet das ganze Spektrum, dass die Nebbiolo bereit hält.
94/100
Der Barbaresco könnte auf den ersten Schluck etwas unterkomplex wirken, wie ein Leichtwein. Doch der Eindruck täuscht. Er ist intensiv duftig, zartfruchtig und aromentief, trotz der hell-transparenten Farbe. Im Vergleich zum Barolo ist er etwas fruchtbetonter und schlanker. Die Trauben kommen aus vier verschiedenen Lagen in den Gemeinden Treiso und Alba. Letztere Lage hat weiches Tannin und delikate Frucht beigesteuert, erstere Struktur und und Kraft. Er sei kein „Standard-Barbaresco“, betont Francesca, sondern ein präzis cuvetierter Wein, um eine gute Balance zu erreichen.
93/100
Die Lage Ornato in Serralunga wurde von Pio Cesare 1985 zum ersten Mal separat vinifiziert. Sie ist ein echter Cru, der schon vor hundert Jahren dafür bekannt war, große, langlebige Weine hervorzubringen. Sie besitzen Power, Struktur, Konzentration, Komplexität. Der 2021er Ornato ist geprägt von dunkler, süßer Beerenfrucht, hellem Tabak, einem Touch von Nelke und Vanille, dazu Teer und kandierter Granatapfel. Ein reicher, muskulöser Barolo, der teils in großen Holzfässern, teils in Barriques ausgebaut wurde und trotz seiner Fülle schon vorsichtig antrinkbar ist.
95/100
Vor zehn Jahren hat Pio Cesare zehn Hektar in der Lage Mosconi in Monforte erworben. Aus den ältesten Reben in dieser steilen, kühlen Lage entsteht seitdem ein zweiter Lagen-Barolo, der trotz der geografischen Nähe zum Ornato-Weinberg ein ganz anderes Aromenprofil aufweist. Er ist nicht so reich, aber würziger und wilder mit einem Mix aus Beerenkompott und orientalischen Gewürzen. Weil er etwas weniger streng und insgesamt charmanter wirkt, ziehen ihn einige Verkoster dem Ornato vor. Letztlich ist es aber eine Frage der persönlichen Präferenzen, welcher Barolo besser gefällt.
95/100
Der Lagen-Barbaresco von Pio Cesare (aus dem Archiv des Weinguts stammend) kommt aus einem hoch gelegenen Weinberg bei Treiso, dem höchsten in der ganzen Barbaresco-Zone. Der Wein besitzt eine taffe Tanninstruktur, aber auch eine außerordentliche Frische – selbst nach zehn Jahren noch. Dabei war 2015 ein warmer Jahrgang, der teilweise untypisch weiche, säurearme Weine hervorgebracht hat. Der Il Bricco hingegen ist herzhaft fruchtig, weich mit einer rauchig-erdigen Grundnote, jetzt perfekt zum Trinken: ein packender Barbaresco.
94/100
Preise: Barolo Pio und Barbaresco Pio kosten zwischen 55 und 65 Euro, Lagenweine kosten zwischen 105 und 125 Euro (jüngster Jahrgang)
Die Weine von Pio Cesare sind u. a. erhältlich bei www.biancamora.de, www.bremerwein.de, www.weinfreunde.de, www.tesdorpf.de, www.gute-weine.de, www.superiore.de, www.vipino.de, www.weindiele.de, www.geisels-weingalerie.de, www.vineshop24.de, www.lamamma.de, www.casamolina.de, www.vinizia.de, www.schubiweine.ch, www.barolista.at
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Weine unter 10 Euro gibt es zu Tausenden in Deutschland. Lagenweine in der 9 Euro-Klasse sind dagegen selten. Und wenn sie dann noch in Naturland-Qualität vorliegen und so gut sind wie der Grauburgunder des rheinhessischen Weinguts Kühling, dann rechtfertigt das, ihn zum Wein des Monats zu erklären. In unserem Fall: zum Monat Oktober.
Die letzten Jahre waren durch die Bank warme Jahre in Deutschland. Mehr noch als der Riesling haben die Burgunderweine von der Wärme profitiert. 2024 gilt als Burgunderjahr. Das zeigt sich auch an dem Grauburgunder aus dem Weingut der Familie Kühling, das in Gundheim im Hinterland von Worms liegt. Er ist dicht gewoben, dabei aber sehr weich und cremig am Gaumen. Trocken, aber nicht herb, charmiert er im Mund mit zartem Birnenschmelz, die kühle mineralische Unternote verhindert, dass er ins Banale abgleitet. Die milde Säure sorgt gleichzeitig für Frische. Der feine Vanilleton des Bouquets ist äußerst delikat und steigert die Erwartungshaltung, schon bevor der erste Schluck über die Lippen gelaufen ist. Kurzum: ein anspruchsvoller, aber trinkfreundlicher Wein, der so gar nicht dem Klischee eines langweiligen Grauburgunders entspricht.
So einen Wein findet man nicht überall in den Rebenmeeren Rheinhessens. Dem jungen Benedikt Kühling, der zusammen mit seinen Eltern das Weingut bewirtschaftet, gelingt es jedes Jahr wieder, kerngesunde Trauben zu ernten und gradlinige, ausdrucksstarke Weine auf die Flasche zu bringen. Übrigens: Hungerbiene ist der Name der Einzellage. Woher der komische Name stammt, ist unklar. Auch wenn er nicht sehr attraktiv klingt, so müssen dort weder Bienen noch Reben noch sonstige Lebewesen darben. Im Gegenteil: Die fetten Lössböden können Niederschlag speichern und sorgen dafür, dass dort auch in trockenen Jahren saftige Weine entstehen. Als Lagenwein gehört der Hungerbienen-Grauburgunder zu den Topweinen der Familie Kühling. Benedikt vergärt ihn spontan und baut ein Drittel in neuen Tonneaux aus, den Rest in Edelstahl.
2024 Gundheimer Hungerbiene Grauburgunder, Weingut Kühling
Preis: 9 Euro, www.weingut-kuehling.de
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Wein zur Pizza – das ist keine verrückte Idee eines durchgeknallten Sommeliers, sondern das Resultat vieler Versuche, das beste Getränk zu einer Pizza zu finden. Natürlich schmeckt auch Bier zur Pizza, egal womit sie belegt ist. Aber Wein setzt noch einen drauf. Es muss gar nicht unbedingt ein italienischer Wein sein. Entscheidend ist, dass er nicht zu schwer und nicht zu kompliziert ist und dass er die beliebten Teigfladen aus dem Steinofen geschmacklich nicht dominiert. Alle drei Weine, die ich vorschlage, liegen preislich zwischen 18 und 25 Euro – also in einem Rahmen, der zu einer Pizza passt. Der Abend wird also nicht zu einer Luxussause. Eine Flasche reicht für zwei Personen, im Zweifelsfall auch für drei. Ich habe drei Weine aus Deutschland, Italien und Frankreich ausgesucht, die exemplarisch zeigen, wie gut Pizza und Wein zusammengehen.
Der Gutedel hat in Deutschland einen Ruf als schlichter Alltagswein. Doch Hanspeter Ziereisen aus Baden beweist seit Jahren, was mit dieser Rebsorte möglich ist. Sein „Steinkrügle“ Gutedel (€ 22,60, erhältlich bei weinzentrale.de) ist alles andere als schlicht. Er verbindet Zitrusnoten und Birnenaroma mit einer feinen Mineralität, ist trocken, klar und dabei erstaunlich cremig. Seine Frische nimmt es locker mit der Tomatensauce auf, die Mineralität hält dem Käse stand. Besonders gut funktioniert der Wein zu einer klassischen Pizza Margherita, zu einer Pizza Bianca nur mit Mozzarella oder auch zu der Gemüsevariante mit Zucchini und Paprika. Wer bisher dachte, Weißwein und Pizza passen gehen nicht, wird schnell eines Besseren belehrt.
Rosé gilt oft als Sommerwein, aber ein guter Rosato aus Nebbiolo-Trauben kann weit mehr. Der Castrum Roche Rosato (€ 18,00, erhältlich bei www.freiheit- vinothek.de) stammt aus dem Piemont und bringt eine hellrosa Farbe, belebende Beerenfrucht und eine klare Frische mit. Er ist nicht zu schwer, nicht zu leicht und hat einen sehr eigenen Charakter – genau das, was man zu einer herzhaften Pizza will.
Besonders spannend ist der Rosato bei kräftigen Belägen: Salami, Thunfisch oder gegrilltes Gemüse. Die leichte Fruchtigkeit puffert Würze und Schärfe, während die Frische den Gaumen reinigt. Für Abende, an denen man sich nicht zwischen Rot und Weiß entscheiden kann, ist dieser Rosato der ideale Kompromiss.
Beaujolais ist längst mehr als ein Gag aus den 80ern, als überall Primeur-Partys gefeiert wurden. Junge Winzerinnen wie Laura Lardy zeigen, was die Region wirklich kann. Ihr Fleurie (24,95 €, erhältlich bei www.trinkenswert.com) ist ein Paradebeispiel: Die Rebsorte ist 100 % Gamay, dazu viel Kirsch- und Beerenfrucht, von einem feinen Tannin durchzogen.
Zur Pizza passt der Wein deshalb hervorragend, vor allem zu Varianten mit Käse. Eine Quattro Formaggi wird mit diesem Fleurie regelrecht veredelt, ebenso eine Pizza mit Pilzen oder Kräutern. Er hat genug Druck, um die Cremigkeit des Belags zu tragen, bleibt dabei aber immer leichtfüßig. Wer zum ersten Mal einen Fleurie probiert, wird überrascht sein, wie perfekt er sich in einen unkomplizierten Pizzaabend einfügt.
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Sensoren, Drohnen, E-Labels, KI, Echtzeit-Analysen und ihre Rolle als Unterstützer für kleine und große Weingüter.
Ob an der Mosel, im Rheingau oder in der Pfalz – aus Deutschlands Anbaugebieten kommen Weine von Weltruf. Riesling, Silvaner, Weißer und Grauer Burgunder werden schon lange mit moderner Technik in Weinberg und Keller erzeugt. Aber die technologische Revolution geht weiter. Die Bandbreite reicht von Drohnen und Spektralanalsen direkt im Weinberg über Unterstützung bei Gärungsverläufen und Verpackungstechniken bis hin zu Logistik und Vertrieb. Die zukunftsträchtigste Innovation aber ist die Künstliche Intelligenz (KI).
Im Bereich Kundenservice und Vertrieb ist KI längst angekommen. Chat-Bots beantworten einfache Fragen ohne menschliche Arbeitskraft. Im Vertrieb lassen sich die ersten Kundendaten automatisch erfassen. Eine Amerikanische Telefonnummer, die virtuell erstellt wird, ermöglicht es, auch mit internationalen Kunden direkt zu kommunizieren.
Mit dem anhaltenden Öko-Trend wird auch der Herstellernachweis immer wichtiger. Verbraucher legen einen hohen Wert auf nachhaltigen Anbau. Mit modernen Blockchain-Technologien werden alle Daten unveränderlich aufgezeichnet. Verbraucher können mit einem Klick auf die E-Labels Weinbauer, Kelterei und Transport erkennen.
Drohnen und Sensoren können die unterschiedlichsten Daten sammeln. Mit KI lassen sich diese Daten mitunter in Echtzeit verwerten. Dadurch können Informationen wie Traubenreife und der perfekte Erntezeitpunkt bestimmt werden. Außerdem lassen sich potenzielle Krankheitsausbrüche vorhersagen, was es den Weinbauern ermöglicht, frühzeitig einzugreifen.
Drohnen bieten die Möglichkeit, auch weitläufige Weinberge rasch zu kontrollieren. Dabei können in Kombination mit Sensoren am Boden wesentlich schneller Schädlingsbefall und Krankheiten erkannt werden. Außerdem lässt sich vom Kontrollcenter aus der Reifezustand der Trauben ermitteln.
Augmented Reality (AR) wird bereits in anderen Branchen zur Verkaufsunterstützung eingesetzt. Auch im Bereich Wein können mit speziellen Apps und/oder Labels Informationen angezeigt werden, die über den Produktionsprozess informieren und die Anbaugebiete vorstellen.

Drohne im Weinberg
Einige der modernen Technologien erfordern keine großen Investitionen. Familienbetriebe können gleichermaßen von Technologien wie Drohnen, digitale Analyse oder Sensorik profitieren. Damit werden in den bekannten Weinbaugebieten Deutschlands
Obwohl die moderne Technologie viele Vorteile bringt wie effizientere Prozesse und eine optimale Ausnutzung der Ressourcen, gibt es auch Schwachstellen. Eine dieser Schwachstellen ist der erhöhte Bedarf an Fachpersonal. Im Bereich KI und IT fehlt es an Fachleuten, was sich in vielen Branchen bemerkbar macht.
Themen wie Datenschutz und Cybersicherheit rücken in den Fokus. Immer mehr digitale Daten werden gesammelt, verarbeitet und gespeichert. Sichere Systeme sind bei den modernen Systemen essenziell. Hier dreht es sich nicht nur um den Schutz vor Cyberangriffen. Es muss an eine verlässliche Speicherung der Daten zu Herstellungsprozessen, Kundendatenbanken oder Logistiksystemen gedacht werden.
Hinsichtlich der Kosten müssen Weinbauern das Kosten-Nutzen-Verhältnis abwägen. Einige der Technologien sind mit hohen Investitionskosten verbunden. Je nach Größe des Weinbetriebes lohnen sich bestimmte Systeme nicht.
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Ab dem Jahrgang 2025 wird der Wein von Chateau Lafleur nur noch als einfacher Vin de France erscheinen. Nicht mehr als Pomerol, nicht einmal mehr als Bordeaux AC. Lafleur ist der unmittelbare Nachbar von Pétrus und einer der vier großen Weine der Appellation, die, wenn Pomerol eine Klassifikation hätte, mit Sicherheit als Premier Grand Cru Classé eingestuft worden wären. Was hat die Familie Guinaudeau zu diesem radikalen Schritt veranlasst?
Ich war am 1. September zufällig in Saint Emilion und Pomerol, eine Woche nach der Verlautbarung des Chateau. Als ich ankam, regnete es in Strömen. Ich dachte: eine Katastrophe: Die Lese hatte gerade begonnen. Doch das Gegenteil war der Fall. Die Chateaux waren erleichtert über den Regen. Wochenlang hatte Trockenheit geherrscht. Der Boden war ausgedörrt. Vielerorts entdeckte ich in den Weinbergen Trauben mit verkümmerten Beeren, mal am Stock, mal herausgeschnitten am Boden. In den Rebzeilen gab es immer wieder Pflanzen, deren Blätter gelb waren, vor allem bei jungen Reben. Sie waren verdurstet. Auf Chateau Figeac, wo ich einquartiert war, musste man auf dem Rasen im Garten nach grünen Grashalmen suchen. Die Bäume ließen die Blätter hängen. Das Wasser im Pool hinter dem Haus war 28 Grad warm. Hätte es gesprudelt, könnte man Iacuzzi dazu sagen. Der heißeste Sommer, an den sich Weinbergsarbeiter erinnern können, erzählte der Direktor. Und der trockenste. Dabei können die Kalksandstein- und Lehmböden von Saint Emilion und Pomerol Feuchtigkeit speichern, glücklicherweise. Die Schäden sind aus diesem Grunde dort relativ gering – sofern die Reben auf solchen Böden stehen, etwa bei den Grand Cru Classé. Am linken Ufer, also im Médoc, sieht die Lage anders aus. Die dortigen Kieselsteinböden haben ein geringeres Wasserhaltevermögen. Dort ist die Feuchtigkeit aus dem Frühjahr geradewegs nach unten durchgesickert. Die oberen Bodenschichten sind staubtrocken.
Aber auch am rechten Ufer sind die Chateaux wegen der Hitze alarmiert. Ende August haben sie auf Chateau Lafleur auf der Traubenoberfläche 49,7 Grad Celsius gemessen: ein Rekordwert. Das Risiko für Sonnenbrand der Trauben mit all seinen vegetativen und geschmacksverändernden Folgen steigt stark an. In einem Brief an ihre Kunden sprechen die Guinaudeau von einem „dramatischen Klimawandel, der sich schon 2015, 2019, 2022 und, schlimmer noch, jetzt in 2025 zeigt und gezeigt hat“. Und: Man könne nicht weiterhin in dem Rahmen arbeiten, den die Appellation in ihrem Pflichtenheft vorgibt. Diese seien „das Rezept für ein Desaster“.

Nach der Ankündigung, die Appellation zu verlassen, war in der Öffentlichkeit gerätselt worden, was der genaue Grund für die Entscheidung der Lafleur-Besitzer gewesen sein könnte. Einige spekulierten, dass das Chateau vermehrt fremde, hitzebeständige Sorten pflanzen wolle, um den Klimawandel zu kontern. In seiner Erklärung machten die Guinaudeau jedoch klar, dass sie an den heimischen Sorten festhalten wollen, also an Merlot und Cabernet franc. Man sei aber zu der Überzeugung gelangt, dass es für die Wasserversorgung der Reben besser sei, wenn die Stockdichte teilweise weniger als die vorgeschriebenen 5000 Stöcke pro Hektar betrage, um die Wasserkonkurrenz zu verringern – ein Bruch mit den Vorschriften der Appellation. Auch müsse über eine temporäre Tröpfchenbewässerung nachgedacht werden, was unter den bestehenden Statuten nur in Ausnahmefällen erlaubt ist. Weitere Optionen seien eine Verringerung der Laubwand, Mulchen und die Entwicklung von neuen Beschattungssystemen.
Starker Tobak, und das zu einer Zeit, da der Platz Bordeaux sowieso schon in Panik ist. Die verkorkste en primeur-Kampagne, die Trumpschen Zölle, die Regierungskrise, die Krise der privaten Haushalte, die sinkende Nachfrage nach Wein allgemein und nach Bordeaux im Speziellen – all das zerrt an den Nerven der Chateauxbesitzer. Dazu kommt, dass die Keller voll sind mit unverkaufter Ware. Und mit 2025 steht abermals ein mengenmässig ergiebiger Jahrgang ins Haus. Positiv zu vermelden ist immerhin, dass die Qualität des 2025ers sehr gut zu sein scheint. Der Regen Anfang September hat den Stoffwechsel den Reben wieder angekurbelt und den Saft in die Trauben schießen lassen. Mit diesen Aussichten besteht also Hoffnung, dass die Käufer wieder zum Markt zurückkehren werden – egal ob der Wein Pomerol, St-Emilion oder Vin de France heisst.
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Maschinen können ebenso dünnwandige Gläser produzieren wie Glasbläser: gleichbleibend präzis und vor allem wesentlich preiswerter. Muss man den mundgeblasenen Gläsern deswegen nachtrauern? Es kommt auf den Standpunkt an. Mundgeblasene Gläser sind Unikate, maschinengeblasene nicht. Aber schmeckt ein Romanée-Conti oder der Unico von Vega Sicilia aus maschinengeblasenen Gläser deshalb weniger gut? Wahrscheinlich nicht. Oder besser gesagt: garantiert nicht. Aber wie beim Wein ist auch beim Glas immer ein bisschen Emotion mit im Spiel. Die Glasbläserei ist eine jahrhundertealte, handwerkliche Kunst, vor der sich weinaffine Menschen genauso verneigen wie vor der handwerklichen Kunst des Weinmachens. Lässt das maschinell gefertigte Glas den Weintrinker dagegen kalt? Vielleicht. Dabei ist es auch Kunst: Ingenieurskunst.

Diejenigen, die einen Vergleich zwischen den neuen maschinengefertigten und mundgeblasenen Gläsern anstellen, befinden sich bereits in der Champions League der Vinophilen. Denn Dünnwandigkeit ist kein Lifestyle-Gag. Dünnwandigkeit bedeutet, die Temperatur des Weins schon auf den Lippen zu spüren. Scharf geschliffene Ränder sind für die Haptik der Zunge und der Lippen wichtig. Die Transparenz des Glases erlaubt es, Kirchenfenster, Tränen, Farbreflexe sauberer zu zeigen – überhaupt den Wein brillanter erscheinen zu lassen. Die unsichtbar porigen Oberflächen des dünnen Glases lassen die Aromen aufblühen. Und die Form des Kelches ist so gestaltet, dass der Duft der Rebsorte möglichst intensiv zum Ausdruck kommt, der Geschmack nicht verzerrt, sondern präzis an den Gaumen transportiert wird. Wer richtig genießen will, kann auf dünnwandige Gläser nicht verzichten.

Was ist eigentlich Glas? Physikalisch gesehen ein amorpher Feststoff, formbar bei rund 1200 Grad Celsius. Chemisch ist es im Kern SiO₂, also Quarzsand. Doch erst verschiedenen Additive und oft skurrile Zutaten sorgen für Viskosität, Klarheit, Härte, Klang, Widerstandskraft oder Brillanz und machen aus Rohglas ein Resonanzkörper. Jede Glashütte hütet deshalb ihre geheime Rezeptur wie beim Zaubertrank.
Die Geschichte der dünnwandigen Weingläser beginnt im 14. Jahrhundert in Venedig mit dem ersten Sodakalkglas. Um 1900 setzt die Wiener Moderne auf Eleganz statt Gewicht: Filigrane Lobmeyr-Kollektionen ersetzen geschliffenes Bleikristall. Die meisten Glasbläsereien sind in Tschechien, Slowakei, Polen oder Ungarn beheimatet. 1973 bringt Claus J. Riedel die mundgeblasene, rebsortenspezifische „Sommeliers“-Serie auf den Markt. Sie wird in Kufstein in Österreich hergestellt. Den nächsten Meilenstein setzte dann Kurt Josef Zalto. Vor mehr als 20 Jahren entwarf der österreichische Glasvisionär die Denk’Art-Gläser, benannt nach dem berühmten Theologen und Weinphilosophen Pfarrer Hans Denk aus der Wachau. Denk‘Art gilt bis heute als Archetyp des extrem leichtgewichtigen, mundgeblasenen Weinglases. Zaltos Gläser waren die ersten ultradünnwandigen Gläser. Sie überzeugten sensorisch und waren zugleich Ausdruck hoher Handwerkskunst und zeitgemäßen Designs. Inzwischen ist Kurt Josef Zalto aus dem Unternehmen, das seinem Namen trägt, ausgeschieden, um für die Josephinenhütte eine neue Glasserie zu schaffen.

Seit etwa fünf Jahren sind auch Maschinen in der Lage Gläser herzustellen, die so dünnwandig und formvariabel sind wie mundgeblasene Gläser. Die Gläser werden mittlerweile so exakt gefertigt, dass sie von Handarbeit kaum zu unterscheiden sind. Serien von Riedel, Spiegelau, Zwiesel, Gabriel und Stölzle liefern hier zuverlässig ab. Optisch wird es dabei allerdings eng: Manche Formen gleichen sich derart, dass Patentanwälte der Glasbranche schon quasi von einem Dauerauftrag leben können. Wie leistungsstark die neuen Maschinen sind, zeigt ein Blick auf die Produktionszahlen des slowakischen Herstellers Rona: Bis zu 10.000 dünnwandige Gläser werden von der Maschine pro Tag ausgestoßen. Im Vergleich dazu die Zahlen von traditionellen Glashütten wie Izaak Reich oder Květná1794 aus Tschechien: Die Teams dort, bestehend aus Meister und zwei Mitarbeitern, schaffen pro Schicht an die 300 Stück mundgeblasener Unikate.
Entsprechend unterschiedlich sind die Preise. Dünnwandige Maschinengläser liegen bei etwa einem Fünftel oder weniger des Preises für mundgeblasene Gläser – eine Differenz, die die Märkte komplett umgekrempelt hat und die traditionellen Glashütten in Existenznöte bringt. Die in München ansässige Josephinenhütte setzt gegenüber Weintrinkern deshalb auf die Wertschätzung der Handarbeit. Auf deren Internetseite kann man alle neun Schritte der Fertigung verständlich verfolgen: lehrreich für alle glasaffinen Genießer, die den Wein sensorisch, technisch und emotional erleben wollen. Andere, etwa Zalto, beziehen sich in ihrer Darstellung auf die historische Glasbläserwerkstatt in Österreich, wo deren Gläser gefertigt werden. Marken wie Zieher, Sophienwald, Grassl oder X-Wineglass, die oft auch bei Partnern produzieren, argumentieren mit höherer Wertigkeit und Authentizität. Erkennen kann man die mundgeblasenen Gläser übrigens an den feinen handwerklichen Spuren, die sie hinterlassen, etwa an kleinen Unregelmäßigkeiten wie Bläschen, diskrete Schlieren oder leichte Formabweichungen. Selbst große Gläser haben keine Nahtstellen oder Formtrennlinien.
Die Herstellung ultradünner Gläser durch Glasbläser ist immer ein Hochleistungstanz aus Temperatur, Timing, Handgefühl und sehr viel Erfahrung. Es wird seit Jahrhunderten von Meister zu Meister weitergegeben und steht seit 2017 auf der UNESCO-Liste der schützenswerten Berufe. Dennoch ist diese Arbeit vom Aussterben bedroht: Im Jahr 2024 gab es nirgendwo in Europa mehr Ausbildungsklassen für Glasbläser.
| Kriterium | Maschinell geblasen | Mundgeblasen |
| Ästhetik | 100 % identisch, ideal für Vergleichsproben | Leichte Toleranzen, jedes Glas ein Unikat |
| Attribute | Korrekt, technisch präzise, weniger Viskosität, | Ausbalanciert, das Glas schwenkt mit, bessere Thermik |
| Gewicht | Robuster 110-130 g, für Gastronomie-Alltag | Federleicht mit 80-110 g und elastisch, empfindlicher |
| Preis & Nutzer | 10 – 30 € p.Glas, HoReCa Kunden, Degustationen, Vinotheken | 40 – 80 €, Endkunden, Winzer, Star-Gastronomie, hippe Weinbars |
| Produktion | Ca 10.000 Gläser pro Tag | Ca 300 Gläser pro Schicht bei einem Glasbläser-Team |
| Pflege | Spülmaschinenfest, geeignet für Gastronomie | Spülmaschinefest, Spezialkorb für Gastro, vorsichtiges abtrocknen |
| Erkennbarkeit | Perfekte Nahtlinien, gleichmäßige Wände, Stiel & Boden meist dicker, Rand 1mm | Keine Naht, Schlieren möglich, spürbar leichter, Boden flacher, Rand unter 1mm |
| Sensorik | Exakt in Haptik & Bewegung, Klang eher stumpf, Duft unverfälscht | Mikroporös, Geschmackerlebnis, Klang eher stumpf, Duft intensiv |
| Nachhaltigkeit | Industrielle Effizienz, hoher technischer und Energie-Aufwand | UNESCO-geschütztes Handwerk, Erhaltung des Wissens, Tradition |
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Trotz extrem geringer Erntemenge überzeugt der Jahrgang 2024 der Winzervereinigung Freyburg-Unstrut bei der 3. Runde der Bundesweinprämierung mit insgesamt 30 Medaillen. Sechs trockene Weine – darunter Kerner, Gutedel, Bacchus und Lagenweine vom Höhnstedter Kelterberg – wurden mit Gold ausgezeichnet. Weitere Prämierungen gingen an Silvaner und Weißburgunder vom Burgwerbener Herzogsberg sowie an die halbtrockene Cuvée Grapeful Vibes, ein neues Erfolgsprodukt der Genossenschaft.
Quellen:
Winzervereinigung Freyburg-Unstrut eG
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Nach einem historischen Ernteausfall 2024 erwartet die Winzervereinigung Freyburg-Unstrut für den Jahrgang 2025 eine Erntemenge von bis zu 3,5 Millionen Litern – rund sechsmal so viel wie im Vorjahr. Hauptrebschutzwärtin Franziska Zobel warnt jedoch: Zu hohe Erträge könnten die Qualität gefährden. Viele Winzer reagieren mit gezieltem Grünschnitt, um die Mostgewichte zu stabilisieren. Die Lese soll rund um das Winzerfest Anfang September starten.
Quellen:
Winzervereinigung Freyburg-Unstrut eG
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